Von einem guten Kompliment kann ich zwei Monate leben. - Mark Twain

Wieso haben wir eigentlich so große Probleme ein Kompliment anzunehmen? So wie Mark Twain feststellt, ist ehrlich zum Ausdruck gebrachte Anerkennung, etwas, das unserer Seele gut täte. Stattdessen sind wir damit beschäftigt, Beschwichtigungen zu finden und uns irgendwie ein bisschen beschämt oder schüchtern abzuwenden.

 

Bloß keine falsche Bescheidenheit! Nicht nur, dass du damit beweist, deine Stärken nicht annehmen zu können - wie sollte es dann jemand anderes? - sondern, du verpasst deinem Gegenüber womöglich einen verbalen Hieb. Viele von uns können hierfür altbekannte Beispiele finden, wahrscheinlich ähnlich wie dieses: A und B kennen einander flüchtig, sie unterhalten sich immer wieder über dieses und jenes.  A: "Wow, was für ein toller Mantel!"  B: "Ach der, nein, der ist ja schon so alt und wirkt doch gar nicht mehr modisch", oder: "Ach nein, jetzt passt mir der nicht mehr. Damals vor fünf Jahren, als ich noch rank und schlank war, ja, da habe ich den geliebt." Person A, als feinfühlig bekannt, denkt sich nun insgeheim: "Aha...Mir gefällt der Mantel aber wirklich. Sagt sie mir gerade, dass ich keinen Geschmack besitze? Oder schöne Dinge nicht erkennen kann?! Ich kannte sie vor fünf Jahren nicht, keine Ahnung, ob sie gerne schlanker wäre. Ich finde, sie sieht toll aus. Mir war gar nicht klar, dass sie das so zu stören scheint..." Auch in Beziehungen lassen sich solche Gespräche finden.  M: "Du siehst heute so schön aus. Wie damals als wir uns kennengelernt haben:" F: "Das sagst du nur so. Findest du wirklich? Ich weiß nicht...Ich habe doch einige Falten bekommen."

 

Sowohl A als auch M  sind jetzt bestens über die Befindlichkeiten informiert (ohne dass Person B oder F über Diäten als auch Falten jemals gesprochen hätten), irritiert, dass ihre stilsicheren Blicke angezweifelt wurden, ein wenig beschämt, weil beide das Gefühl nicht loslässt, das Gesagte wäre als Schmeichelei verstanden worden.

 

Etwas Positives anzunehmen, ist nicht immer einfach. Zum einen liegt das an den kognitiven Dissonanzen, eine vergangene Annahme stößt auf ein neues, für uns noch nicht passendes Bild oder Fremd- und Selbstbild sind nicht kompatibel. Folgende Situation: In der Schulzeit hielt eine Schülerin nur ungern Referate. Sie war nervös, zitterte und die Stimme klang schwach, fast schüchtern. Kollegen machten ihr für gelungene Präsentationen Komplimente - doch die Selbstzweifel blieben. Da fiel ihr ein, dass einer ihrer Lehrer die Vorträge immer bemängelte, unabhängig wie sehr sie sich bemühte. Er ließ nichts Gutes an ihrer Ausdrucksweise. Sein Tadel hinterließ eine große emotionale Wunde. Erst als sie sich an diese Situation erinnerte, war es möglich die ambivalenten Gefühle auszugleichen. 

 

Wir alle haben uns Anerkennung verdient. Freuen wir uns doch, wenn sie uns entgegengebracht wird. Welche Aussage wirkt auf dich persönlich sympathisch? Ausflüchte oder ein freundliches Strahlen und die charmanten Worte: "Danke, das ist so nett von dir. Ich freue mich, dass du das sagst."