Die sensible Seite von Coco Chanel

Ein Porträt von Coco Chanel, das sie verletzlich, sensibel und gebrochen zeigt, ganz anders als die stolze Designerin der Gesellschaft in Erinnerung blieb: Marie Laurencins Bemühungen, Coco von einer für ihre Mitmenschen ungewöhnlichen Seite zu offenbaren, schlugen fehl: Das Gemälde blieb der Modeschöpferin verhasst und sie verweigerte dessen Annahme.

Doch die emotionalen Verletzungen, die Marie Laurencin erkannte, waren keinesfalls eingebildet. Coco musste das traurige Schicksal ihrer Mutter mit ansehen, die an den Gefühlen für ihren Mann, genauer an dessen Beziehungsunfähigkeit und Kälte zerbrach. Sie selbst schwor sich Ähnliches nicht ertragen zu müssen, fühlte sich dazu verpflichtet unabhängig zu bleiben. Doch verliebte sie sich in einen Mann, dessen ehrliche Zuneigung sie nicht erwerben konnte und der sich entschied, eine andere Frau zu ehelichen. Als Arthur Capel bei einem Autounfall starb, ließ sie sich trotz ihrer Enttäuschung direkt zu dessen Unfallort chauffieren, setzte sich auf einen Stein am Straßenrand und weinte bitterlich um ihren verlorenen Liebhaber.

 

Einige Zeit später ging sie erneut eine Partnerschaft ein, doch auch diese war nur von kurzer Dauer. Mit 41 Jahren war Coco Chanel der Liebe überdrüssig und sah sich dem Schicksal ihrer Mutter näher, als sie zu verkraften fähig war.  

 

Der Malerin wiederum waren unglückliche Liebschaften ebenso nicht unbekannt. Sie fühlte sich mit Apollinaire, einem französischen Schriftsteller bis zu dessen Tod, trotz Trennung, tief verbunden und ließ sich mit seinen an sie gerichteten Liebesbriefen begraben.

 

Das Gemälde zeigt eine zierliche, gebrochene Frau, deren schwarze Augen Verzweiflung und Traurigkeit bekunden. Ihre Seele scheint von Schmerz und Kummer fest umklammert. Sie ist in ihren Gedanken gefangen, den Blick starr zu Boden gerichtet. Coco scheint nicht fähig ihren kleinen Begleiter, den Pudel, der sich ihrer Traurigkeit ganz hingibt, zu bemerken. Der Hintergrund ist von grün-bläulicher Farbe, vermischt mit schwarzen Feldern, ein bedrohlicher Nebel, der die sitzende Person zu umhüllen droht. Die auf der rechten Seite gezeigte Friedenstaube, die dem Bild hinsichtlich der Flügelhaltung Dynamik und Aktivität verleiht, möchte der trauenden Frau ein wenig Zufriedenheit schenken, verliert aber das strahlend weiße Gefieder durch Coco Chanels von Kummer durchtränkter Aura. Trotz der nicht abzusprechenden Düsternis, bleibt der Modeschöpferin ihre Eleganz und Grazie erhalten. Das Kleid ist ordentlich drapiert, entblößt die rechte Seite ihres Oberkörpers. Ein interessanter, tiefenpsychologischer Ansatz, bei dem sich die Frage stellt, ob die Malerin der metaphorischen Schutzmauer, um Coco Chanels Herz, die schon in ihrer Kindheit hinsichtlich fehlenden Urvertrauens entstanden, Ausdruck verleihen wollte.

Der im Hintergrund „kämpferisch - heiter“ gemalte Hund kann dem Gemälde die depressive Grundstimmung nicht nehmen. Das Energieniveau Coco Chanels scheint einen Tiefpunkt erreicht zu haben.  Selbst die pinke Farbe der Stuhllehne, die dem Betrachter unbewusst kindliche, mädchenhafte Elemente suggeriert, wirkt durch die hinzugefügten grauen Nuancen in ihrer Fröhlichkeit gedämpft.