Kopfverklebung - Anita Wiegele

Die Bilder von Anita Wiegele berührten meine Seele vom ersten Augenblick an - einige ließen mich an verschiedenste Formen von Persönlichkeitsstörungen denken. Nicht weiter verwunderlich, stehen genau diese in direktem Zusammenhang mit meinem Fachgebiet: Bilder und Gemälde, die Narzissmus, Borderline und deren Auswirkungen auf Partnerschaft künstlerisch zum Ausdruck bringen.

Doch hier scheint es diesmal ganz anders. Der erste Eindruck täuscht gewaltig! Anita Wiegeles Bilder fokussieren vielmehr das individuelle Wachstum und die damit zum Vorschein kommende positive - manchmal einem Orkan gleichende Energie, die wir alle für Veränderungen so dringend benötigen. Ähnlich einem Schmetterling versuchen wir uns, aus dem Kokon zu befreien, noch gefangen von der Vergangenheit, deren Auswirkung sich noch in unseren von schmerzgeplagten Gesichtern zeigt, noch nicht reif für die Zukunft, aber bereit zu lernen, zu vergeben, zu lieben und endlich in Freiheit unser Leben zu genießen.

 

Die Figuren verschmelzen miteinander, fügen sich in ein großes Ganzes, verlieren sich darin aber nicht. Für den Betrachter sind sie als Individuen sichtbar, zum Teil umringt von Schatten, die (womöglich) ihr Seelenheil beeinträchtigen und eine Genesung aktuell verhindern. Vielleicht sind sich die Figuren der anstehenden Wandlung bewusst, fürchten aber noch das System zu verlassen, erstarren im Angesicht der damit einhergehenden Veränderungen.

 

Für mich persönlich ein sehr interessanter Ansatz, der es verdient psychologisch näher betrachtet zu werden: Eine Familie in der emotionale und physische Gewalt eine wichtige Form des Ausdrucks – wenn auch pathologisch -  von Geborgenheit und Liebe darstellen, beginnt ihr eigenes System akribisch zu verteidigen, sobald nur einer der Angehörigen versucht sich den krankhaften Elementen abzuwenden, um alte Muster und Glaubensätze zu überwinden und das Wesen harmonischer Beziehungen zu erfahren.

„Mein Körper schmerzt seit geraumer Zeit wirklich heftig.“ Veränderung und Wachstum sind manchmal eine Qual. Eine Apopotose einzelner Facetten unserer Seele, schafft Platz für Neues - leidenschaftlich mit Farbe und Pinsel zum Ausdruck gebracht.

 

Die Bilder der Künstlerin zeigen ihre Sensibilität, lassen erahnen, dass auch ihr Weg kein leichter war. Mal sind die Augen verbunden oder die Lippen zum Schrei geformt. Dieser verschafft uns Linderung, denn die Wucht der seelischen Verletzung, der dadurch entstandene Druck scheint sich ein wenig zu verringern.

Obwohl dies so ein komplexes und schweres Thema ist, strahlen viele Gemälde Hoffnung und Zuversicht aus. Anita Wiegele achtet dabei auch auf die, für den Entwicklungsprozess abgestimmte Farbwahl. Sie schenkt mit Hilfe von weiß, hellem Blau, zartem Rosa ein positives Gefühl, dass die Entscheidung, diesen Weg gegangen zu sein, die richtige war, trotz aller Konsequenzen. 

 

Wer bin ich und wenn ja wie viele? Die Bilder ermöglichen es und zwar jedes für sich, über die Vielfalt der eigenen Person nachzudenken: Über Rollenbilder, über Vergangenheit und Zukunft aber auch über die Frage: Sind wir aktuell glücklich? Sind wir schon der Mensch, der wir sein möchten? Oder steht uns eine Wandlung bevor, die unser Leben positiv vorantreibt?